Mittwoch, 04.01.2006: Manakhah, Hajarah, Al-Hutayb

Am Morgen ist die Luft klar und schön, man braucht kaum einen Anorak. Fahrt nach Hajarah (sprich: hadschara) hinauf. Am Weg sehen wir rosa blühende Flaschenbäume. Rundgang durch die beiden separaten Ortsteile von Hajarah über viele Stufen und durch die üblichen Steinchen, platt getretenen Plastikflaschen, Stroh- und Kat-Reste und viel Staub. Es gibt wieder viele Händler und Kinder („Hello!" - „Where are you from?" - „What's your name?" - „Pen" - „Kalam" (= Stift) - „Sira" (= Foto). Ohne ein kleines Mädchen, das sich an meine Fersen heftete, hätte ich den Weg aus dem Gassendschungel und den Anschluss an die Gruppe nicht gefunden.

Während die anderen mit einem örtlichen Führer, mit Mustafa und mit ihren Lunchpaketen weiter in die Berge hinein wandern, spaziere ich mit Mohammed die etwa 4 Kilometer auf der Asphaltstraße zurück und abwärts nach Manakhah. Unterwegs sehen wir an der Straße ein Rind vor einem Hakenpflug beim Pflügen eines winzigen Stücks Terrassenfeld. Der Pflug ist aus Holz mit einer Metallzunge unten. An den Hängen und neben manchen Häusern stehen rosa und weiß blühende Pfirsich- oder Mandelbäume. Als wir ein paar Männer mit 30-Liter-Kanistern eine Treppe von der unterhalb der Straße gelegenen Quelle heraufsteigen sehen, spricht Mohammed von den schwer arbeitenden Menschen auf dem Land und schimpft auf die Regierung, die die Entwicklungshilfe in die eigene Tasche steckt, statt sich z. B. um eine angemessene Wasserversorgung für die Bevölkerung zu kümmern. Dann erzählt er, wie seine Mutter früher schwer arbeiten musste, selbst während der Schwangerschaft, und wie sich heute in der Stadt die schwangeren Frauen auf Anraten der Ärzte zwei Monate vor der Niederkunft ausruhen und im Bett bleiben. Also, sagt er, braucht er zwei Frauen, eine für die Kinder und eine für den Haushalt. Dann spricht er über die Schwierigkeit, eine Frau zu finden, die mit der Schwiegermutter zusammen leben und sie im Alter versorgen will.

Uns umgibt ein wunderschönes Bergpanorama mit verstreut liegenden Dörfern, alle mit mehrstöckigen Häusern. Man hört überall im Jemen mehrmals am Tag einen Hahn krähen. Die Asphaltstraße, auf der wir gehen, ist wieder von einem Scheich gestiftet worden.

Ich werde eingeladen, mein Mittagessen in Mohammeds und Mustafas Zimmer auf dem Teppich einzunehmen. Die Sandalen bleiben am Eingang vor der Tür. (Sicher hält man uns für große Ferkel, weil wir das in unseren Zimmern nicht tun). Die Schüsseln bzw. tiefen Teller werden auf einem riesigen runden Blechtablett hereingereicht. Jeder nimmt sich einen Löffel, alle tauchen ihre Löffel in die gemeinsamen Schüsseln. Es speisen der Reiseleiter Mohammed, unsere beiden Fahrer Achmed und Sale und ich. Einer meint es gut und füllt mir von dem im Eisentopf gekochten Nationalgericht eine große Portion mit seinem schon benutzten Löffel in eine Suppenschale ab. Nun muss ich das natürlich alles aufessen. Manche Gerichte isst man mit dem Löffel, andere mit Fladenbrot oder direkt mit den Fingern.

Im Raum nebenan tanzen ein paar 11- bis 13-jährige Jungens zu Trommelmusik für eine Gruppe Touristen einen Kampftanz mit gezückten Krummsäbeln, wobei einer der Tänzer ein gefaltetes Papiertaschentuch im Mund hält; danach wohl einen Liebestanz, bei dem einer der Jungens die Frau darstellt.

Nach dem Essen betet Fahrer Achmed, mit dem Rücken zu uns auf seinem Dreieckstuch kniend, danach Fahrer Safe auf demselben. Dann holen wir die Wanderer in Al-Hutayb ab, unterwegs nehmen wir verschiedene Anhalter auf der Stoßstange mit. Hoch oben auf dem zuckerhutförmigen Berg hinter Al-Hutayb liegt eine Moschee. Am Ortseingang gibt es eine hübsche kleine Parkanlage. Jungens und Jugendliche schleppen in der Mittagshitze schwere Bausteine.

Das Einzelzimmer, um das ich wegen meines ruhestörenden Hustens gebeten habe, ist laut, weil es nach hinten hinaus zum Generator liegt, hat aber besonders schöne Gipsmuster: Zwei runde an der Zimmerdecke, je eins an den vier Ecken der Zimmerdecke, einen Gipsmusterrahmen innen um die Fensternische herum, buntes Glas im Fenster, und an jeder Ecke der Wand eine Ablage aus geschnitztem Gips. Der Wirt verlangt von mir einen Aufpreis von 2000 Rial = 8,70 Euro, aber die Guides sagen, ich soll nichts zahlen. Am nächsten Tag erzählen sie, sie haben aus der Reisekasse 1300 Rial bezahlt.

 



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