Freitag, 30.12.2005: Bei Bir Ali

Ich schreibe dies, am fast leeren Strand sitzend, dicht am sich mit der Flut nahenden Indischen Ozean an der Südküste Jemens. Es ist ein für Touristen abgestecktes, aber nicht abgesperrtes Areal. Gerade sind zwei Motorboote voll junger Menschen, die hier angelegt und außerhalb der Absperrung irgendwelche Leute getroffen haben, durch einen Mann mit Kalaschnikow von unserem Strand vertrieben worden. Meine Kleidungsstücke, in denen ich vorhin in voller Montur geschwommen bin - in seidenweichem Wasser - sind inzwischen am Leib getrocknet. Entgegen aller Planung werde ich heute Nacht im Doppelzelt am Strand schlafen. Es wimmelt von weißlichen, fast durchsichtigen Krabben verschiedener Größe, die in Löchern im Sand oder in verschiedenen leeren Schneckenhäusern wohnen. Ich habe schon verschiedene bunte Schneckenhäuser, weiße Korallenbäume, Tintenfisch-Schulpe u. a. m. gefunden.

Der Tag von Anfang an: In Mukallah besuchen wir den Fischmarkt, dann den Gemüsemarkt, beide in großen Hallen. Im Gemüsemarkt gibt es auch mehrere schwarz verschleierte Frauen als Händlerinnen. Kleine Jungens schieben auf schweren Schubkarren Waren zum Markt. Bei der Abfahrt aus Mukallah bietet sich rechts am Ortsausgang als Fotomotiv ein kleiner, noch heute genutzter Palast an, der auf einem Felsvorsprung errichtet ist und auf der anderen Straßenseite ein weniger prekär gebautes Pendant hat.

Später sehen wir Kalköfen. Eine frisch gebrannte Ladung der großen, heißen Brocken wird gerade auf einem offenen Lieferwagen abtransportiert zu einer der kleinen Werkstätten am Straßenrand, wo die Kalksteine zerklopft werden. Dann fahren wir durch schwarze Basaltberge, die von weißem Sand überweht sind. Beim Anstieg zu einem Kratersee habe ich einen guten Blick über diese Landschaft.

Wir nehmen unsere Mittagsmahlzeit in dem verwahrlosten Dorf Bir Ali ein, unter einem Blechdach sitzend, mit Zugang für die Ziegen und Schafe, auf langen Bänken an einem Tisch mit frischer Plastikfolie sitzend (für die einheimischen Nachbarn gibt es nur Zeitungspapier). Es gibt zwei Wasserhähne mit Waschbecken und Scheuersand, die von allen Männern vor und nach dem Essen benutzt werden. Die meisten trinken hinterher aus einem Plastikbecher, den sie aus dem Trinkwassertank füllen und nach dem Trinken für den Nächsten stehen lassen. Von uns nimmt man wenig Notiz. Die Toilette, heißt es, ist besetzt. Unser Fahrer Achmed hält später für uns in der Wüste an ein paar Akaziensträuchern an. Dort finde ich Spuren von Mäusen, Ziegen, Hunden und nackten Menschenfüßen.

Am Touristenstrand finden sich immer mehr Menschen ein. Schließlich sind es etwa 70. Ich schaffe es gerade noch, im einzigen festen Haus mein Tagebuch vor Sonnenuntergang zu beenden. Der Generator und damit die Beleuchtung wird erst später in Gang gesetzt. Inzwischen sind Achmed und Mohammed mit dem Auto und all meinem Gepäck unterwegs, um Essen und Trinken für uns einzukaufen, das wir dann mehr oder weniger aus Zeitungspapier und lauwarm zu uns nehmen. Vorher spielen wir Domino auf jemenitische Männerweise: Man zählt die schon verwendeten Augen mit und kann so das Spiel mit Vorteil beenden. Es spielen vier Personen, und die sich gegenüber Sitzenden sind Partner. Verloren hat, wer eine bestimmte Augenzahl unterschreitet; damit hat dann die Gegenpartei gewonnen. Später spielt der junge Manager auf seiner Gitarre und singt dazu mit hoher Stimme jemenitische Liebeslieder.

In der Nacht friere ich sehr, weil ich nicht beizeiten darauf bestehe, meinen warmen Schlafsack aus dem Auto zu holen. Wir haben nur ein Laken zum Zudecken bekommen. Wunderbar ist der klare Sternenhimmel und vorher die untergehende Sonne am Meer. Nachts stört eine laute Italienergruppe.

 



Kaufen Sie die Bücher von Antje Arbor