Das Hotel in Seyun ist schick, die Dusche funktioniert, wenn auch das große, nicht gut gereinigte Waschbecken und das Toilettenbecken mit geduscht werden. Eine Decke für die Nacht muss ich mir erst kommen lassen. Es gibt eine Klimaanlage. Eins der Fenster lässt sich öffnen, wenn man zwei Knöpfe gleichzeitig nach innen drückt und das Fenster schiebt, aber draußen tönt eine Maschine, wohl ein Generator, und Auspuffgase dringen durch das Fliegengitter herein, also ziehe ich die gleichmäßig rauschende und geruchsfreiere Klimaanlage vor. Ein Schiebefenster vom Badezimmer zum Abzugschacht lässt sich auf die gleiche Weise öffnen. Manche Hotelgäste scheinen aber den Schacht, in welchen die Klimaanlagen hineinragen, zur Müllentsorgung benutzt zu haben. Die Bettwäsche wirkt ungewaschen, ich benutze lieber wieder wie gestern meinen blauen Baumwollschlafsack. - Im Treppenhaus ist am Rande der Treppenstufen offenbar nachträglich ein hölzernes Treppengeländer eingebaut worden. Einer der Pfosten ist unten losgegangen, und das an der Biegung mit Nägeln zusammengehaltene Geländer hebt ab. - Bei der Suche nach dem Frühstücksplatz sehe ich hinter dünnen Holzwänden Nebenräume, deren Böden ganz mit einem Teppich bedeckt sind, in dessen Mitte jeweils eine runde Plastikdecke liegt. Das sind offenbar die Essräume für einheimische, traditionsbewusste Gäste. Man sitzt dann im Schneidersitz und isst mit drei Fingern der rechten Hand.
Morgens Stadtgang in Seyun. Man sieht auch Männer in Hosen und ohne Kopfbedeckung. Bettlerinnen, die sich mit einem Baby fotografieren lassen wollen, sind nicht verschleiert. Wir besuchen einen Handwerkerhof; dort arbeitet ein Schmied; Schweißer von bunten Blechtüren mit schönen Mustern; Schnitzer von tragbaren Wannen aus Autoreifen. Nebenan liegt ein Fischmarkt, auf dem Thunfisch und diverse andere Fischarten durch Pökeln zum Trocknen an der Sonne vorbereitet werden. Die Fliegen freuen sich trotzdem. Ein Stück weiter probieren wir auf dem gut und reichlich bestückten Obst- und Gemüsemarkt süße, sehr rote Mohrrüben. Es gibt u. a. blaue und weiße Auberginen, Süßkartoffeln und sonst alles, was wir auch haben: Kartoffeln, Weißkohl, Blumenkohl, weißen Rettich, Tomaten, grüne Bohnen, Zucchini, Äpfel (die schönsten aus China importiert) u. a. m. - Vom Sultanspalast aus, der nun ein Volkskundemuseum ist, haben wir einen schönen Blick auf die Stadt. Interessant finde ich im Museum das ausgestellte Kinderbett mit Stäben für ein Tuch- oder Deckendach.
In einem Laden sehe ich ein ähnliches, nur ohne das Liegebrett, das übrigens zwei Löcher hat. Es gibt auch eine Kornmühle zu sehen, deren Mahlstein per Hand mit einem Holzzapfen zu drehen ist.
Ähnliche Ausstellungsstücke sehen wir im nächsten Museum, dem heruntergekommenen Palast einer Handelsfamilie, Al-Kaf, in Tarim. Dort ist auch ein Hakenpflug ausgestellt. Ein paar Orte später sehe ich einen von nahem in Aktion, von einem der kleinen Rinder gezogen; einen anderen nach getaner Arbeit auf dem Rücken eines Esels. Auch eine Buchstabentafel der sabäischen Schrift hängt im Museum aus, ist aber nirgends erhältlich. Der Palast hat wunderschöne bunte Glasfenster und im unteren Raum Wandornamente wie eine Reihe bunter Türen, der Stil zeigt indischen oder indonesischen Einfluss.
Tarims Al-Midhar-Moschee hat mit 50 Metern das höchste Minarett Südarabiens, das ähnlichen Einfluss zeigt. Vor der Moschee steht eine der vielen großen bunten Leuchtröhren-Blumen, die im ganzen Land zur Revolutionsfeier am 22. Oktober aufgestellt wurden und in Zukunft nur an Festtagen leuchten sollen.
Dann müssen die Guides Kat kaufen und haben den Nachmittag frei zum Kat-Kauen.
Unterwegs haben wir gesehen, wie Lehmziegel mit Hilfe eines Doppelrahmens geformt und dann luftgetrocknet werden. Wir besahen eine Reihe Bienenstöcke entlang einer Reihe Akazien, daneben waren Behälter mit Wasser aufgehängt.
Von außen bewunderten wir die sich lang und weiß den Berg hinauf erstreckende Grabanlage des Scheichs Ahmed bin Issa und seiner Tochter, die ledig blieb und nach ihm Scheichin wurde.
Wir sahen Frauen bei der Feldarbeit, schwarz verhüllt und mit hohen spitzen Strohhüten; viele leuchtend grüne Kleefelder, die laufend zur Fütterung der Ziegen geerntet werden; Eselskarren mit Hirsestroh samt den ausgedroschenen Ähren und den trockenen Blättern (die wie Maisblätter aussehen), ebenfalls als Ziegen- und Eselfutter verwendet. Der Eselskarren ist ein Brett mit niedrigem Rahmen auf Rädern. - Mir fiel auf, dass die Erde unter den Dattelpalmen gepflügt bzw. gehackt ist. Die Erde wird vorbereitet, damit der im März erwartete erste Regen besser eindringen kann. - Wir sahen auch öfter Sandwirbel (Windhosen). - In wenigen Wochen ist das Opferfest, daher werden jetzt viele Schafe zum Verkauf transportiert.
Unterwegs machen wir vormittags jetzt meistens eine Teepause. Heute in Seyun gab es Tee mit Kardamomstückchen und Zucker. Ein Mann mit Krückstock und zwei hübsch gekleideten Enkelinnen bettelte, auch eine junge Frau in schwarz mit Baby und ein junger Mann, der auf allen Vieren krabbelte. Unser Fahrer Achmed gab meist unauffällig etwas.
Etwas zu den Toiletten in den Tee- und Mittagessen-Restaurants: Es sind Hock-Klos mit einem Eimer Wasser unter einem Wasserhahn, daneben ein Schöpfgefäß, das zum Po-Abspülen da ist. Kein Papier, kein Eimer für benutztes Papier. Ich muss öfter an meinen Lieblingsautor Salman Rushdie denken, der sich gerne über die Westler lustig macht, die sich so fortschrittlich dünken, aber solche Ferkel sind, dass sie sich nach der Notdurft nicht einmal mit Wasser reinigen, wie es sich gehört. Im Hotel heute in Seyun befindet sich neben dem Toilettenbecken eine niedrig angebrachte kleine Handdusche, und ich brauche eine Weile, bis ich kapiere, dass sie demselben Zweck dient. Ich dachte, sie wäre zum Füßewaschen da!
Unser Essgeschirr hier in Seyun ist wieder wie in Sana'a aus hübsch beblümtem Hartplastik. Wir hatten schon raue Blechnäpfe und auch blank polierte Blechteller. Tassen sind immer aus kräftigem Porzellan, meist hoch, mit hellbraunem Muster und mit Untertassen. Zum Umrühren gibt es einen kleinen, sehr leichten Blechlöffel, der manchmal durchlöchert (durchbrochen) ist. Die Mittags- und Abendmahlzeiten sind warm. Heute Abend gab es mal zur Abwechslung Spaghetti, sonst immer Reis, Fladenbrot, Gemüse im tiefen Teller für ein bis zwei Personen, scharfe Soße, Vorsuppe und Fleisch oder Fisch, worauf ich bei dieser Hitze verzichte. Vorher habe ich einmal das leckere Ziegenfleisch probiert.