Abfahrt um 6 Uhr. Es ist kühl, der Himmel ist bedeckt, die Sonne ist eine weiße Scheibe, der Wind fegt den Sand über die Asphaltstraße. Wir werden von einem Beduinen, der an seinem Palästinensertuch zu erkennen ist, in seinem eigenen kleinen Lieferwagen begleitet, denn wir fahren jetzt durch Beduinen-Territorium. Für die Fahrt durch die Sandwüste abseits der Asphaltstraße lassen die Fahrer Luft aus den Reifen. Die Wüste ist abwechslungsreich: Leicht gewellter heller Sand; kleine zackige Basaltsteinchen; grobkörniger, fester, etwas dunklerer Sand. Streckenweise ist die Wüste vegetationslos, dann wieder durchsetzt von vereinzelten Sträuchern oder Bäumen. Wir halten bei einem Beduinenzeltdorf und dürfen in das abseits aufgestellte leere Gästezelt gehen, das nur mit einem abgewetzten Teppich und ein paar Kissen ausgelegt ist. Das Sandgestöber hat noch nicht nachgelassen, wir halten unsere Kopftücher über Mund und Nase und spüren Sandkörner in den Augen und zwischen den Zähnen. Später halten wir bei einem kleinen Kamm aus Steinchen. Ich sehe ein Mauseloch, davor im herausgescharrten Sand ein paar Turmschneckenschalen. Es folgt eine Vergnügungsfahrt im Beduinenauto für die, die Lust dazu haben, in Serpentinen auf eine Sanddüne hinauf und dann steil wieder hinunter. Anschließend nehmen wir Richtung auf die Asphaltstraße; als Landmarke ist in der Feme ein halbkreisförmiger Einschnitt in den Tafelbergen des Wadi Hadramaut zu erkennen, der stets im gleichen Winkel halb rechts von uns liegt.
Inzwischen ist der Himmel blau und die Sonne heiß. In der gleißenden Luft zu unserer Rechten erscheinen halb schwebend ferne Seen - eine Fata Morgana. Wir überqueren auch eine erhöhte Sandpiste, die vom Süden des Jemen nach Saudi-Arabien führt. An der Asphaltstraße angekommen, kehren wir in einer Raststätte zu Tee und frischem Fladenbrot ein. Wir sind nun im Wadi Hadramaut, das mehrere Kilometer breit und von hohen Tafelbergen flankiert ist. Um 12 Uhr kehren wir zum Mittagessen ein, dann fahren wir in die Altstadt von Shibam, dem Manhattan der Wüste" mit seinen etwa 500 Lehmhochhäusern, die meisten um 1600 n. Chr. erbaut. Viele der Häuser sind miteinander verzahnt zu einem Block. Stadtspaziergang durch die staubigen, winkligen, fast menschenleeren Straßen um die Mittagszeit. Aber Kinder, Ziegen und geöffnete Souvenirläden sind zu sehen, einige Männer und vereinzelte schwarz vermummte Frauen. Die Straßen bestehen aus festgetretenem Sand wie überall. Alle sind schattig, weil sie eng und die Häuser hoch sind; diese wurden im Wettbewerb zwischen Nachbarn allmählich immer höher. Jede Familie bewohnt eine Hausscheibe von 6 bis 8 Stockwerken. Unten sind die Häuser etwas breiter als oben. Die Küche ist in den Dörfern immer oben. Zwischen den Häusern gibt es Verbindungstüren. Nachbarinnen tauschen sich auch zwischen den Häuserblocks mit Hilfe von Eimern an einem Seil aus, das hoch oben von einer Küche zur anderen führt. Die Fenster sind klein und haben alle geschnitzte Holzrahmen bzw. -gitter, manche sind auch viereckig mit einem einfarbigen Rahmen. Es gibt zu jeder Hausscheibe mindestens zwei Türen, eine davon ist meistens wunderhübsch geschnitzt.
Eine breite Sandniederung mit wenigen Sträuchern trennt die ummauerte Altstadt von der Neustadt. Hier spielen in der Dämmerung unzählige Kinder fröhlich im Sand. Wir steigen mit vielen anderen Touristen - und belästigt von größeren Jungens - hinter der Neustadt einen Schotterhang zum Pumpwerk hinauf, um einen Blick auf Alt-Shibam bei Sonnenuntergang zu bekommen. Weiterfahrt ins Hotel nach Seyun, das fast mit Neu-Shibam zusammengewachsen ist.
Unterwegs haben wir erfahren:
Unsere Guides passen sich mit ihrer Kleidung den verschiedenen Landessitten an. In verschiedenen Teilen des Jemen trägt der Mann verschiedene Stoffmuster und -farben, immer als knöchellangen, selten kürzeren Rock.
Im Hadramaut wurde das Kat-Kauen erst nach der Wiedervereinigung 1990 erlaubt.
In Sana'a arbeitet man von 8-12 Uhr, dann kaut man Kat.
Es gibt keine Schulpflicht. Den Schulabschluss macht man nach der 12. Klasse, sofern man die Oberschule besucht.
An den dunklen Schotterhängen am Fuß der Tafelberge haben Parteien mit weißen Steinchen ihre Slogans "geschrieben". Bei Sana'a sahen wir auf ähnlich Weise Allahs Namen geschrieben und auch die drei Worte Allah-Revolution-Freiheit.