Die 6 Mitglieder der Reisegruppe (vier sind 40 bis Mitte 50, einer 62 Jahre alt, und ich) treffen sich, in dicke Jacken gehüllt, in dem morgendlich kalten Gartenrestaurant zum Frühstück mit Selbstbedienung. Dann Stadtgang. Alle Häuser der Altstadt, bis zu 6 Stockwerke hoch, sind mit weißen Gips- oder Kalkornamenten bemalt und haben weiße, rundbögige Gipsfenster, in den Bögen bunte Glasmuster. Die Hauptstraße liegt tief unten zwischen den Häusern, sie ist ein Flussbett und wurde erst vor kurzem gepflastert und seitlich befestigt. Während der Regenzeit dient sie als Wasserlauf.
Besuch des Militärmuseums, auch mit Exponaten aus Marib von etwa 800 v. Chr., z. B. Stelen mit der sabäischen Schrift (auch von etwa 800 v. Chr. - sie ist entziffert und ist eine Alphabetschrift, sagt Mohammed), Darstellungen von Rindern, besonders zu beiden Seiten der Abflussrinne einer Art großen Tabletts, wohl eines Opferaltars, von dem wir später im Tempel Arsh Bilquis eine größere Ausgabe im Freien sehen. Das Museum liegt am Hauptplatz, dem AI- Tahrier Square. Auffallend sind dort die Flammendarstellungen auf Pfählen. Jede Flamme trägt die Zahlen 26, 14, 22. Sie stehen für den 26. Oktober 1962 (Gründungstag der Republik im Norden), den 14. Oktober 1963 (Unabhängigkeit von England im Süden) und den 22. Mai 1990 (Wiedervereinigung von Nord- und Südjemen). Dann Wasser- und Briefmarkenkauf. Bei unseren Einkäufen ist immer einer der Guides dabei.
Kurzer Besuch des Volkskundemuseums in einem alten Bürgerhaus: Unten wie üblich der Empfangsraum für Gäste, im 1. Stock die Küche, weiter oben sind Stickereien ausgestellt. Nebenan eine Bäckerei mit offenem Tor, man kann zusehen, wie unsere Frühstücksfladenbrötchen in Windeseile geformt, auf die Bleche geworfen und die Bleche in den riesigen Ofen geschoben und wieder herausgeholt werden. Gegenüber eine Sauna, die an drei Wochentagen für Frauen und an drei Wochentagen für Männer geöffnet ist. Mittagessen in einem kleinen Restaurant im 1. Stock (unten essen nur Männer) von einer auf dem Tisch ausgebreiteten dünnen Plastikfolie, die dann mit allen Resten darin abgeräumt wird. Es gibt Suppe aus Ziegenfleischbrühe, einen tiefen Teller mit gewürztem Reis und etwas Gemüse, einen tiefen Teller Gemüse (hauptsächlich Kartoffelstifte, mit Tomaten gekocht und dadurch gefärbt), einen kleinen Teller scharf gewürzte dickliche Soße aus Tomaten, Quark, Zwiebeln oder Schnittlauch (grün). Zu allem wird mitten auf den Tisch ein kleiner Stapel des riesigen, mit schwarzen Sesamkörnern bestreuten Fladenbrots geworfen, von dem sich jeder nach Bedarf etwas herausreißt. Pro Person gibt es eine ¾ - Liter - Flasche Wasser, die bekommen wir ab jetzt jeden Mittag und Abend zur Mahlzeit. Zum Nachtisch kleine Bananen, Wassermelone, Tee mit Zucker und Kardamom, sehr lecker.
Am Nachmittag steigen wir in einem Altstadthotel auf in den obersten Raum, Mafratsch genannt, der traditionell in Bürgerhäusern der schönste Raum ist, ein lang gestreckter Saal mit Fenstern nach allen Seiten, mit niedrigen gepolsterten Ruhebänken entlang den Wänden zum Sitzen, Kat-Kauen und Reden. (Eigentlich nur für Männer).
Dann geht es zum Altstadt-Souk (Markt). Die Frauen und Mädchen ab 14 tragen lange schwarze Kleider mit einem schwarzen Überwurf , der den Kopf und das Gesicht bedeckt und nur zwei Schlitze für die Augen frei lässt, die oft hübsch mit Lidschatten und Eyeliner verziert sind. Manche der Frauen tragen stattdessen einen schwarzen Gesichtsschleier, durch den von außen nichts von ihrem Gesicht zu sehen ist. Der Gang der Männer ist energisch, sie rempeln mich eher an, statt auszuweichen. Sie sind laut, zu ihren Freunden liebevoll, man sieht oft Händchen haltende Männer, aber auch Frauen und Paare. Die Jungens balgen und knuffen sich unter den wohlwollenden Blicken der Alten. Die Hände der alten Männer sind nicht faltig, sie sind also vermutlich höchstens in den Fünfzigern. Das Aussehen der Männer in Sana'a ist arabisch bis negroid, ihre Haut ist hell- bis dunkelbraun, die Haare sind schwarz - bei kleineren Kindern braun - und glatt oder gelockt oder kraus. Gelegentlich sieht man blaue Augen, die meisten sind dunkelbraun und groß. Die Jungens laufen überall herum, wo die Männer sind. Kleine Mädchen spielen gelegentlich im Hauseingang, größere begleiten die Mutter beim Einkaufen. Kleine Schulkinder haben Schichtunterricht (Vor- bzw. Nachmittagsunterricht) in grünem Anzug, die Mädchen in entsprechendem langem Rock. In anderen Gegenden Jemens gibt es andere Schuluniformen.
Abends beim Naseputzen ist mein Taschentuch schwarz vom Staub und den Auspuffgasen. Am Tage ist es warm, das große Kopftuch bedeckt nicht nur dezent die Haare, sondern schützt auch gegen die stechende Sonne und gegen den Fahrtwind, denn im geschlossenen Geländewagen lässt es sich am Tage vor Hitze nicht aushalten. Aber das Abendessen im Gartenrestaurant ist eher ein zweifelhaftes Wintervergnügen. Man kann dort übrigens Beck's alkoholfreies Bier bestellen. Die Nacht wird wieder unterbrochen durch laut sprechende Menschen, und um 4 Uhr ruft der Muezzin über den Lautsprecher etwa eine Stunde lang alle aus dem Morgenschlaf.